Indigo De Souza - Precipice | Album der Woche
Tanz am Abgrund
28.07.2025 Mathilda Schiller
Indigo De Souza ist das Schöpferische in die Wiege gelegt: Als Tochter der Künstlerin Kim Oberhammer wächst sie in der Einöde North Carolinas auf. Ihre Mutter sticht in der Kleinstadt heraus: Aus Kriegs-Protest bemalt sie das Familienauto mit pinkem Camouflage, Bombenmotiven und beklebt es mit nackten Barbies.
Ihre unkonventionelle Familie macht De Souza in der Schule zur Außenseiterin – bringt sie aber auch früh mit künstlerischem Schaffen in Kontakt. Mit neun Jahren bekommt sie ihre erste Gitarre und ein Aufnahmegerät geschenkt. Heute hat sie ein inniges Verhältnis zu ihrer Mutter, die ihre Cover malt, so auch zu Indigo De Souzas neuer Platte „Precipice“
Indigo De Souza - Precipice
Rezension I
Als Teenie kommt De Souza mit einem älteren Straßenmusiker zusammen. Jahrelang befindet sie sich in einer abhängigen und kontrollierenden Beziehung, die sie bis heute beschäftigt. Auch ihr neuer Track „Be Like the Water“ ermutigt, auf das eigene Bauchgefühl zu hören und toxische Beziehungen schnell zu verlassen.
Während ihr 2023er-Album “All of This Will End“ noch in nahezu völliger Abgeschiedenheit mitten in der Natur entsteht, setzt die 28-järhige bei ihrem neuen Werk auf Kollaboration: Die Platte entsteht gemeinsam mit dem kalifornischen Produzenten Elliott Kozel.
Die Zusammenarbeit mit ihm ist einem glücklichen Zufall geschuldet: Um sich neue Impulse zu holen, geht Indigo De Souza nach L.A., um in sogenannten „Blind Session“ mit fremden Musiker:innen zu arbeiten. Dort trifft sie auf den Produzenten, mit dem sie innerhalb weniger Stunden den Song „Not Afraid“ schreibt – eine intime Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Sterblichkeit.
Zwar besucht De Souza noch andere Sessions, kehrt jedoch immer wieder zu Kozel zurück, der für seine Zusammenarbeit mit Musiker:innen wie SZA und Finneas, dem Bruder von Billie Eilish, bekannt ist. Ihm gelingt es, De Souza noch stärker in eine poppige Richtung zu leiten, die sich bereits auf ihrem Vorgängeralbum abzeichnet.
Indigo De Souza - Precipice
Rezension II
Unterbrochen werden die Schreib-Sessions durch einen unverhofften Schicksalsschlag: Im Herbst des vergangenen Jahres wird die ehemalige Kirche in North Carolina, in der De Souza bis dato lebt, von Hurrikan Helene überschwemmt. Sie verliert fast ihr gesamtes Hab und Gut. Daraufhin kehrt sie zu Kozel zurück, und gemeinsam vollenden sie die Platte, auf der De Souza den Verlust ihres Zuhauses betrauert.
Die Zusammenarbeit mit Elliott Kozel ist für Indigo De Souza ein Schlüsselmoment: Mit seinem Zutun gelingt, was sich die 28-jährige lange wünscht: Ein tiefgründiges, anspruchsvolles Pop-Album zu schreiben, das mit treibenden Rhythmen und sanften Gitarren ebenso rührend wie radiotauglich ist.
Thematisch schließt Indigo De Souza auf „Precipice“ an ihre drei bisherigen Alben an. Sie erzählt düstere Geschichten von Tod, Sex und – im Track „Heartthrob“ – auch von physischem Missbrauch. Dabei kommt sie aber mit einer unvorstellbaren Leichtigkeit und mit ordentlich trockenem Humor daher.
Im Radio: 28. Juli - 3. August 2025