Mode nach Corona
Modetrends sind auf Eis gelegt, aber was kommt nach der Pandemie modetechnisch auf uns zu?
21.04.2021 Lena Mempel
Schlabberpulli, Jogginghose, Maske – das sind die Essentials des Corona-Looks. Seit einem Jahr gibt’s kaum noch Anlässe, sich klamottentechnisch rauszuputzen, Modetrends sind auf Eis gelegt. Dank der Impfungen könnte das Ende des Jahres ganz anders aussehen: Designer*innen sprechen sogar von einem Revival der Goldenen Zwanziger in unserem Kleiderschrank. FluxFM-Fashion-Expertin Lena Mempel hat recherchiert, wie wir uns anziehen, wenn die Corona-Pandemie vorbei ist.
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Mein halbes Leben war ich felsenfest davon überzeugt: Das mit dem gut-gekleidet sein – schicke Wollmäntel, gold blitzende Ohrringe, schimmernde Paillettentops – das mach ich nur für mich, weil ICH es schön finde. Seit der Corona-Pandemie weiß ich, Pustekuchen, hab ich im HomeOffice nicht einmal rausgeholt, die schönen Teile, stattdessen jeden Tag Lieblingsjeans und Pulli. Mode muss gerade vor allem eins: gemütlich sein. Trendanalyst und Autor Carl Tillessen sagt: Die Pandemie hat unseren Kleidungsstil revolutioniert, wie kein anderes Ereignis der letzten zehn Jahr, vergleichbar mit der Befreiung vom Korsett:
„Da kann man nicht zwei Saisons später um die Ecke kommen und sagen: Doch wieder Korsett. Etwas ähnliches passiert mit uns gerade. Wir haben jetzt ein Jahr die bequemste Kleidung überhaupt getragen, Jogginghosen, FlipFlops, Sneaker usw. Insofern wird diese Bequemlichkeit uns erhalten bleiben, aber und das betone ich ganz ausdrücklich, diese Lässigkeit wird auf gar keinen Fall eine Nachlässigkeit sein.“
Auf den Laufstegen in Mailand und Co. heißt das: Casual Streetwear – aber bitte in edel. Makellose Sneaker, Jogginganzüge aus hochwertigen Materialien wie Wolle und Kaschmir, Tshirts, detailliert und aufwendig verarbeitet. Gleichzeitig kommen Glamour und Sexyness der 90er mit Vollkaracho zurückgerauscht: Enge Minikleider, glänzende Stoffe in Gold und Silber, Federn, Knallfarben a la Zitronen gelb und Ultraviolett. Nach der Pandemie wird die Mode also ein Wechselspiel aus Komfort und Luxus: Tagsüber cool und lässig, nachts extravagant und mutig:
„Wenn wir abends dann ausgehen nachdem wir das ein Jahr lang nicht durften, werden wir natürlich komplett durchgehen und das werden dann schon die goldenen zwanziger. Abends darf es dann auch mal der High Heel sein vom Taxi zur bar und der darf dann auch richtig hoch sein.“
Li Edelkoort, eine der renommiertesten Trendforscherinnen weltweit, prognostiziert außerdem – wir werden weniger shoppen. Im letzten Jahr haben wir alle reduzierter gelebt, unsere Kleiderschränke ausgemistet, über Achtsamkeit und Minimalismus diskutiert. Diese Freiheit wollen wir nach der Pandemie nicht wieder mit neuen Dingen zuknallen. Statistisch merkt man davon allerdings nichts, sagt Carl Tillessen:
„Ich glaube man ist da nen bisschen voreilig, wenn man daraus einen Sinneswandel ableitet, insgesamt lagen die Einzelhandelsumsätze online und offline durch alle Produktgruppen letztes Jahr 5 Prozent über dem Vorpandemie-Niveau, das heißt die Leute haben mehr geshoppt.“
Ein bisschen hat die Pandemie den Trend zu nachhaltiger, grüner Mode allerdings schon beschleunigt, Stichwort: Greensumption, wir kaufen zwar genauso viel, aber bessere und umweltverträglichere Produkte. Bei Zalando zum Beispiel haben sich Kund*innen, die nachhaltige Mode kaufen, 2020 mehr als verdoppelt.
„Viel schwerer fällt uns der Konsumverzicht. Man muss davon ausgehen, das auch dieser Aspekt von Nachhaltigkeit in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Nicht ohne Grund haben Konzerne wie H&M nicht nur diese Biobaumwollkollektionen an den Start gebracht, sondern auch ganz neue Konzepte wie ARKET, die sowohl vom Design und der Qualität ein bisschen langlebiger sind.“
Auch große Modehäuser wie Gucci wollen das ungesunde Tempo der Branche bremsen: Kreativdirektor Alessandro Michele hat sich vom klassischen Saisondenken verabschiedet – in Zukunft gibt es nur noch zwei Mal im Jahr neue Entwürfe, Zitat: Mehr als genug.