Frisch gepresst - mit Jorja Smith, Hemlocke Springs und Cherry Glazerr
Rezension Jorja Smith
Ein Weltstar klickt sich des Nachts durch Soundcloud, findet den Song einer begnadeten Newcomerin und macht sie über blitzschnell berühmt. Eine Geschichte, zu schön um wahr zu sein. Und doch genauso passiert. Als Jorja Smith gerade einmal 18 Jahre alt ist, stößt Rapper Drake auf ihren Song Where Did I Go?. In einem Interview bezeichnet er den Track als sein neues Lieblingslied – und lädt die Britin noch im selben Jahr ein, ihn auf seiner UK-Tour zu begleiten.
Von heut auf morgen ist der Name Jorja Smith in aller Munde. Sie spielt in amerikanischen Late Night Shows, erklimmt mit ihrem Debüt die britischen Charts, ergattert renommierte Preise. Dieses Jahr setzt Smith noch einen drauf: Mit dem viralen TikTok Mash-Up ihrer Single Little Things sorgt sie für den Ohrwurm des Jahres.
Der millionenfach gestreamte Song wird zum Vorboten für ihr neues Album Falling Or Flying. Das Konzept der Platte orientiert sich an diesem gegensätzlichen Titel. Die erste Hälfte des Albums repräsentiert das Fliegen, das Sich-selbst-Spüren und Frei-Sein. Abgebildet wird jener Zustand von mühelos fließenden Slow-Jams, glatten R'n'B-Momenten und einer ziemlich überraschenden Alternative-Nummer: Go Go Go Go.
Der Song markiert den Übergang in die "fallende" Hälfte des Albums. Die Lyrics werden plötzlich nachdenklicher, die Themen schwerer. Smith versucht gar nicht erst, nagende Selbstzweifel in Zaum zu halten - sondern gibt ihnen eine Bühne.
Das Konzept geht auf. Mühelos gelingt es Jorja Smith zwei konträre Lebensgefühle auf einer Platte zu vereinen. Und so ist Falling Or Flying eine Erinnerung daran, dass es ohne Tief auch kein Hoch geben kann.
(Autorin: Mathilda Schiller)
Hemlocke Springs - Going...Going...GONE! EP
Rezension Hemlocke Springs
Wer nicht unter einem Stein lebt, kommt selbst ohne TikTok Account Ende 2022 an diesem Hit nicht vorbei: Mit Girlfriend schießt ein Song in die Playlisten der Generation Z und alle Welt fragt sich: Wer ist das? Die Antwort: Hemlocke Springs, 24, aus Chicago. Jetzt ist die Debüt-EP Going...Going...GONE! draußen: sieben Songs zwischen flirrendem Indie und Bedroom-Einschlag, die das Pop-Herz höher schlagen lassen.
Mit irgendwas zwischen Fassungslosig- und Gleichgültigkeit entgegnet Hemlocke Springs all den Lobpreisungen und dem Hype. Eine Attitude die viel dazu beiträgt, wie frisch und neuartig ihr Songentwurf klingt. Ja nicht zu viel nach links oder rechts schauen, sondern das eigene Ding machen. Eine Geisteshaltung die auf Going...Going...GONE! voll auf geht.
(Autor: Daniel Meinel)
Cherry Glazerr - I Don’t Want You Anymore
Rezension Cherry Glazerr
Als 2017 das zweite Cherry Glazerr Album Apocalipstick erscheint, sticht die Band mit ihrem Sound heraus aus dem weiten Feld des Indie-Rock. Rotziger, krachiger, kantiger klingt das im Vergleich zu den meisten anderen Veröffentlichungen damals. Mittlerweile ist krachig und kantig fast schon wieder Mainstream im Indie. Zeit für Cherry Glazerr, einen Gang zurückzuschalten.
So ruhig kennen Fans Clementine Creevy, die Kopf und Herz der Band ist, bis jetzt nicht. Dazu wird viel experimentiert. Creevy hat sich während der Pandemie ausgiebig mit, wie sie es nennt, Computer-Musik, beschäftigt und so klingt das neue Album I Don't Want You Anymore hier und da auch überraschend elektronisch. Cherry Glazerr goes Synthie-Pop.
Ganz so poppig und soft geht es dann aber doch nicht zu. Creevy liebt Rockmusik viel zu sehr, als dass sie den alten Cherry Glazerr-Sound komplett über Bord werfen könnte. Sie braucht das Laute, das Chaotische - für den Spaß, vor allem aber als Katharsis. Dröhnende Gitarren zur Selbstreinigung.
So persönlich, roh und düster wie auf I Don't Want You Anymore klang Clementine Creevy noch nie. Es ist ihr Versuch, mit Bullshit in ihrem Leben aufzuräumen. Gescheiterte Beziehungen, Realitätsverlust, Abhängigkeiten.
Wie immer bei Creevy ist das aber alles nicht todernst zu nehmen. Auch der Witz findet seinen Platz auf I Don't Want You Anymore - dem bisher ambitioniertesten Album von Cherry Glazerr.
(Autor: Micha Gehrig)
"Frisch gepresst"-Historie: