
Dove Ellis - Blizzard | Album der Woche
Viel Schatten und gleichzeitig viel Licht
07.12.2025 Micha Gehrig
Dove Ellis ist einer der ungewöhnlichsten Newcomer der letzten Jahre – nicht wegen eines schrillen Images, sondern wegen seiner Abwesenheit davon. Über den 22-jährigen Iren, der von Galway nach Manchester gezogen ist, weiß man fast nichts. Keine Interviews, kaum Social Media, nur Songs. Trotzdem sorgt sein Debütalbum Blizzard für großes Echo – getragen allein von seiner außergewöhnlichen Stimme und seinem Folkansatz.
Ellis postete zunächst rohe, kollagenhafte Demos auf Bandcamp, die schnell ein Bieterrennen mehrerer Labels auslösten. Er wählte bewusst ein unabhängiges Label und baute seine Reputation lieber live auf: kleine Clubs, spontane Gigs, eine US-Tour als Support der gefeierten Band Geese. Sein London-Konzert am ICA war binnen Stunden ausverkauft – ein Zeichen, wie schnell sich sein Ruf verbreitet.
Dove Ellis - Blizzard
Rezension
Blizzard klingt intim, fast handgemacht: Atemgeräusche, leichte Verzerrungen, Wohnzimmeratmosphäre. Gleichzeitig ist die Produktion fein abgestimmt; Ellis arbeitete weitgehend allein, nur To the Sandals wurde von Big-Thief-Produzent Andrew Sarlo neu abgemischt. Auch textlich bleibt vieles geheimnisvoll. Der Song soll eine gescheiterte „Shotgun Marriage“ in Cancún reflektieren – im Lied selbst taucht das nur in poetischen Andeutungen auf.
Ellis wird oft mit Jeff Buckley oder Thom Yorke verglichen, vor allem wegen seines schwebenden Falsetts. Doch sein Stil ist breiter: Nick-Drake-artige Zerbrechlichkeit in Little Left Hope, Americana-Farben in When You Tie Your Hair Up, ein irischer Jig in Jaundice. Saxofonlinien, 70er-Piano und akustische Wärme formen ein Klangbild, das zwischen Folk, Art-Rock und Singer-Songwriter-Tradition wandert – ohne je beliebig zu wirken.
Ein Debüt als Versprechen
Blizzard wirkt wie ein Werk, das aus dem Nichts auftaucht und dennoch erstaunlich ausgereift ist. Ellis pflegt keine künstliche Geheimniskrämerei, sondern wirkt schlicht introvertiert – ein Musiker, der seine Songs statt sich selbst sprechen lässt. Sein Debüt ist ein konzentriertes, emotionales Album, das bereits jetzt den Eindruck hinterlässt: Hier beginnt etwas Großes.
Im Radio: 8. Dezember - 14. Dezember 2025