Frisch gepresst - mit Die Türen und Sufjan Stevens

Frisch gepresst - mit Die Türen und Sufjan Stevens

05.10.2023

Die Türen - Kapitalismus Blues Band

Rezension Die Türen

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Ein Türen-Album zum Staatsakt-Jubiläum - lässt da Labelchef Maurice Summen etwa die Allstar-Band auffahren, um dem Label standesgemäß den Geburtstagstusch zu spielen? Mitnichten. Es trifft sich zwar gut, dass Jubiläum und Album zusammenfallen, statt sich selbst zu feiern, knöpft sich die Band aber lieber den Kapitalismus und seine Auswüchse vor.

Grunewald Is Burning - ein Song über den Großbrand auf einem Sprengplatz vor einem Jahr. Der Brand führt zu apokalyptischen Bildern direkt vor der Haustür der Reichen, die ansonsten so wenig mitbekommen von solchen Bildern, von der Apokalypse, vom Klimawandel. Die Türen spielen mal wieder mit Doppeldeutigkeiten, versteckten Anspielungen, dem Kontext und Subtext.

Wie man das von den Türen gewohnt ist, findet sich auf Kapitalismus Blues Band natürlich auch die schärfste Waffe der Band wieder, die Ironie. Anders ist das mit dem Kapitalismus ja auch nicht zu ertragen. Die Waffe richtet sich im Übrigen auch gegen die eigene Band. Die eigene Position. Die Türen sind weiß, männlich und mittlerweile eben auch ein bisschen alt.

Auch mit dem neuen Album zeigen sie sich mal wieder als Meister darin, die Absurditäten des modernen Kapitalismus aufzuzeigen.  Das Tiny House als Ausdruck der Vereinzelung, Blockchain-Mantras von Krypto-Fans, der Retro-Vintage- und DIY-Hype in all seinen Facetten.

Das neue Türen-Werk, es ist kein Abgesang auf den Kapitalismus, kein Aufruf zur Revolution, sondern eine Zustandsbeschreibung. Und wenn wir schon nicht raus kommen aus der Nummer, dann wenigstens darüber lachen. Dabei hilft Kapitalismus Blues Band auf jeden Fall.

(Autor: Micha Gehrig)

Sufjan Stevens - Javelin

Rezension Sufjan Stevens

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Ob aus "O.C. California" oder "Little Miss Sunshine": Filmaffine Menschen wissen um die rührende Wirkung der Folk-Songs von Sufjan Stevens. 2018 wurde der Kult-Sänger für seine Ballade Mystery Of Love im Soundtrack des Dramas "Call Me By Your Name" sogar für einen Oscar nominiert. 

Allerdings kann der 48-jährige der Oscar-Preisverleihung nicht viel abgewinnen. Als einen "schrecklichen Scientology-Abschlussball" bezeichnet Stevens die Veranstaltung. In den Folgejahren hütet er sich davor, Soundtrack-taugliche Musik zu produzieren. Stattdessen gibt's ein kantiges Elektropop-Album, ein Nebenprojekt mit Angelo De Augustine und ganze fünf Ambient-Platten. Jetzt ist er mit einem neuen Folk-Album in altbekannter Lagerfeuerromantik zurück.

Javelin heißt die neue Platte von Sufjan Stevens, die so vertraut klingt wie ein Best-Of seiner eigenen Stücke. Zurück im Songwriter-Modus erinnert das neue Material an Carrie & Lowell, Stevens gefeiertes Album aus dem Jahr 2015. Wieder beginnen viele Songs mit schüchternen Akustikgitarren und klimperndem Gesang, um dann in einem Spektakel aus Chören und Orchestern zu enden.

25 Jahre ist Sufjan Stevens jetzt schon im Musikgeschäft. Javelin, die Platte zum Vierteljahrhundert bildet einen Abriss dieser schaffensreichen Zeit. Mit allerlei Featuregästen und einem Neil Young Cover kommt das Album auch ohne Konzept oder größere Leitidee aus. Vielmehr ist es eine Aneinanderreihung der auf dem Weg gesammelten Eindrücke und Inspirationen. Wie ein gutes Biopic fasst Javelin alle Facetten des Musikers zusammen und erzählt - mal akustisch, mal elektronisch- eine Geschichte von Schmerz und Hoffnung.

(Autorin: Mathilda Schiller)

"Frisch gepresst"-Historie: