"Amrum" - Kindheit zwischen Hitler-Bildern, Nazilektüre und Robben | Breitbild Filmkritik
Fatih Akin verfilmt die Kindheit von Hark Bohm - es ist nicht nur eine persönliche, sondern eine zutiefst deutsche Geschichte
09.10.2025
Mit Filmen wie Gegen die Wand, Soul Kitchen und Aus dem Nichts hat sich Regisseur Fatih Akin weltweit einen Namen gemacht - Lob von Presse und Aufzeichnungen wie dem Golden Globe oder dem Spezialpreis der Jury bei den Filmfestspielen von Venedig inklusive.
Mit Amrum startet am 09. Oktober 2025 sein neuer Film in den deutschen Kinos - ein Film, der viel eher der Film von Co-Drehbuchautor Hark Bohm ist. Passend heißt es im Vorspann: "Ein Hark Bohm Film von Fatih Akin". FluxFM-Redakteur Ron Stoklas mit der Filmkritik zu Amrum.
FluxFM-Kritik: Inselidylle trifft auf die letzten Tage des Kriegs
Geht es um filmische Erinnerungskultur an die NS-Zeit, geht es häufig um den Widerstand oder um die Front. Anders bei Amrum. Der Film setzt im Frühjahr 1945 auf der titelgebenden Nordseeinsel ein, in den letzten Kriegstagen. Dort lebt der 12-jährige Nanning. Während manche das Kriegsende herbeisehnen, ist seine hochschwangere Mutter Hille eine glühende Nationalsozialistin. Als sich die Nachricht vom Tod Adolf Hitlers verbreitet, entwickelt sie eine schwere Depression.
Der Film begleitet Nanning beim Versuch, seine Mutter aufzuheitern. Dabei spiegelt das vermeintlich idyllische Inselleben die Realität des Krieges - sei es durch Flüchtlinge aus Ostpreußen und Schlesien, das Denunzieren von Regimekritik - selbst wenn es nur um Vermutungen geht - oder die immer geringer werdenden Lebensmittelrationen.
"Amrum" - Kindheit zwischen Robben und Naziideologie
Der Glaube an die NS-Ideologie durchströmt Nannings Familie. Neben seiner Mutter sind auch sein auf Föhr lebender Onkel und sein abwesender Vater, ein offenkundig hohes Tier im NS-Regime, überzeugte Anhänger des Systems. Und doch gibt es zwischen Hitler-Bildern, Nazilektüre und Hakenkreuzflaggen unausgesprochenen Widerstand in der Familie. Ein Widerstand, den wir als Publikum, anders als Nanning, verstehen. Der sich im Film wie ein familiärer Graben anfühlt.
Für Drehbuchautor Hark Bohm ist Amrum mehr als ein Film, es ist sein Leben. Der Hamburger Filmemacher und Filmprofessor verarbeitet im Drehbuch Erinnerungen an seine Kindheit auf der nordfriesischen Insel zu Kriegszeiten. Eigentlich sollte er, animiert von Akin, auch Regie führen, gab diese aus gesundheitlichen Gründen aber an Fatih Akin ab. Dieser hatte bereits die finale Drehbuchfassung verantwortet. Eine weitere Besonderheit ist die Sprache. Viele Dialoge werden auf Friesisch geführt - um 1945 die Hauptsprache der Inselbevölkerung.
Fazit: Eine persönliche und zutiefst deutsche Geschichte
Ein kindlicher Blick auf die letzten Tage des Nationalsozialismus und den Krieg - das liefern Hark Bohm und Fatih Akin mit Amrum. Dabei ist der Film mehr als eine persönliche Geschichte über die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt - es geht um Fremdenhass, familiäre Prägung, Männlichkeitsbilder. Am Ende ist es eine zutiefst deutsche Geschichte.
Film: Amrum | Kinostart: 09.10.2025 | Altersfreigabe: FSK 12 | Länge: 105 Minuten | Regie: Fatih Akin | Drehbuch: Hark Bohm, Fatih Akin | Cast: u.a. Jasper Billerbeck, Laura Tonke, Diane Kruger, Matthias Schweighöfer, Detlev Buck, Lisa Hagmeister, Hark Bohm