"Karla" - Die Wucht des Schweigens | Breitbild
Regisseurin Christina Tournatzés und Drehbuchautorin Yvonne Görlach gelingt mit "Karla" ein ergreifendes Spielfilmdebüt
02.10.2025 Ron Stoklas
Ein Film über unsagbares Leid, ohne die Tat zu inszenieren - egal ob in Bildern oder Worten. Dieser Aufgabe haben sich Regisseurin Christina Tournatzés und Drehbuchautorin Yvonne Görlach angenommen. Ihr Film Karla handelt von einer 12-Jährigen, die den eigenen Vater wegen sexuellem Missbrauch anzeigt. Passend zum Kinostart (02. Oktober 2025) liefert Ron Stoklas die FluxFM-Kritik zum Film.
FluxFM-Kritik: "Karla" macht das Unsagbare spürbar
Bayern im Jahr 1962. Mitten in der Nacht taucht das 12-jährige Mädchen Karla in einer Polizeiwache auf. Der Grund ist verstörend. Sie hat sexualisierte Gewalt erlebt. Der Täter: Ihr eigener Vater. Mit den anwesenden Polizisten will das Mädchen nicht sprechen - sie hat eine klare Forderung: Sie will mit einem Richter sprechen. Dieser erscheint zu später Stunde in Person von Dr. Friedrich Lamy.
Widerwillig nimmt sich Lamy dem jungen Mädchen an - nicht weil er ihr nicht helfen will, sondern weil er die Tücken des juristischen Systems kennt. Weil Karla nicht über die Tat und ihre Erlebnisse sprechen kann und will, suchen sie nach unkonventionellen Wegen über die traumatischen Erfahrungen zu sprechen.
Ein Gedanke, den Karla aufwirft: Was bedeutet das Recht auf Leben und gibt es ein Recht auf ein gutes Leben? Hier spielt der Film selbst mit der Erwartungshaltung des Publikums: Alles beginnt mit dem Bild einer vermeintlich idyllischen Familie bei einem Ausflug - inklusive fröhlicher Musik . Eine Täuschung. Was Karla erlebt, passiert weitestgehend im Verborgenen - oder ausgeblendet von den Menschen, die das Mädchen eigentlich beschützen sollten. Ein Leid, über das das Mädchen nicht sprechen kann.
"Karla": Die Wucht des Schweigens statt voyeuristisch Bilder
Gehört zu werden, ohne über das Unsagbare sprechen zu müssen. Die Prämisse der 12-jährigen Karla war für Regisseurin Christina Tournatzés und Drehbuchautorin Yvonne Görlach eine klare Verpflichtung. Sie wollte dem Leid des Mädchens Ausdruck verleihen, ohne es im Kontext von sexualisierte Gewalt zu inszenieren. Dazu wählen sie im Film verschiedene Wege, unter anderem eine Stimmgabel, die Karla erklingen lässt, wenn sie über etwas nicht sprechen kann.
Sie setzen regelrecht auf die Wucht des Schweigens. Ein Kniff, der nachhallt. Allein der Gedanke an die Erlebnisse des Mädchens versetzt einen in einen körperlichen Schockzustand. Damit gelingt es Karla nicht nur, auf respektvolle Weise mit dem Leid einer betroffenen Person umzugehen - der Film schafft es auch, über ein wichtiges Thema zu sprechen, über das viel zu oft geschwiegen wird.
Hilfs- und Beratungsangebote für Betroffene
Wenn ihr selbst oder eine Person in eurem Umfeld von sexuellem Missbrauch betroffen seid, gibt es verschiedene Anlaufstellen und Hilfsangebote - darunter die Unabhängige Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Auch die Stadt Berlin hat eine Aufstellung verschiedener Hilfsangebote zusammengestellt - diese könnt ihr HIER einsehen. Im Rahmen der Berlin-Premiere des Films gab es zudem eine Kooperation mit dem Childhood-Haus Berlin.
Film: Karla | Kinostart: 02.10.2025 | Altersfreigabe: FSK 12 | Länge: 105 Minuten | Regie: Christina Tournatzés | Drehbuch: Yvonne Görlach | Cast: u.a. Elise Krieps, Rainer Bock, Imogen Kogge, Torben Liebrecht, Katharina Schüttler